Von Christofer Menges
Eberbach. Karl Schramm hat am Samstag, wie es scheint, nicht gerade den besten Abend erwischt: Seit einer Woche ist er erkältet, kurzfristig sagte seine Partnerin Beate Lesser ab: Sie hat Fieber. Gleich soll er beim Singer-Songwriter-Abend im Club 55 auftreten, allein mit Gitarre und Mundharmonika, als Headliner der Höhepunkt des Abends. Kurzfristig muss er sein Programm umschmeißen. Die angegriffene Stimme und den kratzenden Hals versucht er mit Salzpastillen und einem Glas Rotwein in Schuss zu bringen. Aber Schramm wäre nicht Schramm, wenn er das mit Unterstützung des Publikums nicht hinbekommen würde.
Der Sinsheimer ist in der Eberbacher Musikszene kein Unbekannter: Mit den Rockomotivlern Bernd Knapp und Hannes Beier spielte er um die Jahrtausendwende in der "Kabine 4", mit Benny Safferling und Nicole Guida, beide im Kulturverein Depot 15/7 aktiv, der den Abend veranstaltet, gründete er vor 13 Jahren die "Slammin’ Baboons". Schramm ist Klangtüftler, kreativer Multiinstrumentalist, Sänger, Gitarrenspieler und eben auch Improvisationskünstler. So stellt er für diesen Abend kurzerhand ein Soloprogramm zusammen, das er ohnehin mal testen wollte.
40 Musikliebhaber sind zum inzwischen dritten vorweihnachtlichen Ausklang des Kulturvereins in den Club gekommen. Das Eis brechen muss Jesse Safferling, auch er an dieem Abend etwas angekratzt. Der 27-Jährige aus Eberbach studiert seit drei Jahren an der Mannheimer Pop-Akademie, hat aber mit seiner Band 61inch schon jede Menge Tour-Erfahrung. Die erdigen 61inch-Stücke wie "Tom & Jerry", "Alaska" und "Everything to me", eigentlich fulminante Postgrungerock-Nummern, funktionieren auch solo, nur mit Gitarre und Safferlings Gesang. Dazu kommen aktuelle poppige Stücke wie "Drunk", das sich an Princes "Kiss" anlehnt. Zwei, drei, maximal vier Akkorde und ab geht’s. Für nächstes Jahr plant Safferling ein Solo-Projekt und das, was er im Club davon hören ließ, klingt schon vielversprechend.
Als ideales Bindeglied zwischen Safferling und Schramm ließ "Phrosh" Köhler wieder von sich hören. Der 61inch-Drummer hat als Sänger und Gitarrist mit den "Monsters of Truth" mehrere CDs mit eigenen Songs veröffentlicht: oft einfühlsame Balladen mit hintersinnigen Texten, die bei genauerem Hinhören eine Vielzahl musikalischer Einflüsse offenbaren, von den Beatles über Leonard Cohen bis zu Radiohead. Oft spielt er das nicht mehr; sein bis dahin letzter Solo-Auftritt liegt ein Jahr zurück, hörenswert sind die Songs aber alle Jahre wieder. Diesmal hat er als Background-Sängerin Nicole Guida dabei, die mit ihrer dosiert eingesetzten warmen Stimme den Phrosh-Songs vor allem bei den Refrains noch mehr Tiefe verleiht.
Und dann ist da eben noch Schramm. Zwei Stunden musste er auf seinen Auftritt warten. Bei ihm sind nicht nur die musikalischen Einflüsse von früher zu hören, er spielt die alten Songs: "Blackbird" und "Working Class Hero" von den Beatles bzw. John Lennon, "In the ghetto" von Elvis, "Perfect Day" von Lou Reed, dazu Protestsongs wie die fulminante Antikriegshymne "I-feel-like-I’m-fixing-to-die-Rag", mit der Country Joe 1968 das Woodstock-Festival aufmischte. Bei Elvis und einigen anderen Songs singt das Publikum mit, den berühmten Fuck-Cheer von Country Joe lässt es aus ("Sowas singe mir ned", ruft eine).
Schramm hat an diesem Abend zwar nicht die stimmliche Bandbreite seiner Vorsänger, doch die Balladen meistert er auch mit seinem etwas belegtem Bass. 17 Songs hält er durch. So wird es auch für Schramm und sein Publikum - und auch wenn der Club sich bis Mitternacht schon etwas geleert hat - noch ein guter Abend. Für den Kulturverein Depot 15/7 soll das neue Jahr noch besser werden: Im April soll das neue Kulturzentrum in der Güterbahnhofstraße fertig sein.
(Fotos: Christofer Menges)